Eigentlich wollte ich nach Australien zu den Aborigines.
Aber dann kommt alles ganz anders: eine Expeditionsreise nach
Libyen, im arabischen Maghreb! Z.Zt. ist es friedlich in diesem Land und
Reisende sind willkommen. Es gibt nicht viele Wüstenregionen, in die man ohne
Angst reisen kann. Also steht mein Entschluß ganz schnell fest.
Am 11.3.98 ist die "Maggi" - wie sie liebevoll von uns genannt wird - (ein
umgebauter 10 t Magirus-Deutz, Feuerwehr-Auto aus dem Jahr 1964, Platz für 10
Leute und Gepäck, Vorräte, Wasser, Gaskocher), startklar, fast! Am 10.3. abends
20:30 ruft Bernd an und sagt, die Batterien sind leer - letzte Woche gingen sie
aber noch! Nützt alles nichts. Ulli - ein junger Globetrotter und unser Guide
für den Nissan Patrol besorgt neue, holt mich am 11.3. morgens ab und auf geht's
nach York an die Elbe, wo die Wagen parken und Bernds Elternhaus ist und von wo
wir starten; gleich hinterm Deich.
Es weht ein ziemlich kalter Wind hier. Nach geglücktem Einbau der Batterien
starten wir gegen 13:00 Uhr ins Abenteuer.
Richtung Ludwigshafen. Die Maggi quält sich an jeder Steigung und schafft da
gerade 35-40 km/h. Und wir haben mit ihr ca. 8000 Kilometer vor uns. Aber das
weiß sie noch nicht! Durch den Hunsrück schneit es sogar und die Heizung vorne
im Auto reicht knapp für Bernds Füße. In dieser Zeit ernähren wir uns von
Gummibärchen, Frikadellen und belegten Broten.
Gegen Mitternacht erreichen wir Eva in Ludwigshafen, übernachten dort und
starten gegen 6:30 schon wieder Richtung Autobahn-Raststätte Baden-Baden, wo
u.a. Körner-Christel und Namibia-Anneliese zusteigen. Der Rest der Truppe fliegt
nach Tunis, wo wir sie in Empfang nehmen werden. Aber wir haben nun erst einmal
ein weites Stück Fahrt vor uns durch Frankreich, die A7 bis Marseille. Kurz vor
Marseille - es ist bereits lange nach Mitternacht - Rast auf einem
Autobahn-Parkplatz. Es ist bitterkalt, das Thermometer zeigt 0°C. Ich schlafe
nicht im Wagen, gegenüber ist ein Hotel. Ich teile mir ein Doppelzimmer mit
Christel. Wir schlafen warm und wohlig, duschen und kommen frisch und munter bei
Sonnenaufgang zum Wagen, wo eine kleine Gruppe frierender Globetrotter wartet.
Die letzten Kilometer in der Morgensonne. Wir finden den Hafen auch gleich, nur
den richtigen Eingang nicht, weil die Maggi zu hoch ist. Nun kennen wir aber das
Hafengelände!
Eine langwierige Prozedur mit viel Papierkram haben wir hinter uns und endlich
legt das Schiff ab. Die Skyline Marseille sieht sehr schön aus, das Meer ist
ruhig und blau, weiße Wolkenberge, 1.Klasse-Kabinen.
Nach einer ruhigen Nacht betreten wir im Laufe des Vormittags Afrika. Die
Ausreise dauert nur 1,5 Stunden, wir tauschen im Hafen noch ein paar
Tunesien-Dinar ein und schauen dem Treiben und Gewusel zu. Mit unvorstellbaren
Mengen an Konsumgütern sind die einreisenden Tunesier beladen, manche brechen
fast unter ihrer Last zusammen. Viele Autos sind innen und außen mit einer
ganzen Wohnzimmer-Einrichtung vollgepackt - unvorstellbar, daß ein Wagen das
überhaupt aushält!
Unser Hotel liegt nahe Karthago am Meer.
Ein kurzer Fußmarsch bis Sidi Bou Said, ein blau-weißes Künstlerdorf hoch oben
auf einem Berg. Ich komme mir vor wie in Griechenland! Der Blick geht in eine
ruhige Bucht mit dem Präsidenten-Palast, und bei Pfefferminztee mit Pinienkernen
und ganz süß lassen wir die Seele einfach baumeln, so wie man eben Urlaub macht.
Der Wind ist an ungeschützten Ecken noch sehr kalt, wir sind froh, daß wir ein
paar warme Sachen im Gepäck haben.
Abends besuchen wir ein kleines Restaurant unten am Strand. Ich esse frischen
(der lebt noch fast) gegrillten Fisch, schmeckt ausgezeichnet. Der Kellner sieht
aus wie der "Sarotti"-Mohr, ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Und er ist
auch so ein Sprachmulti, viele Sprachen - von jeder etwas.
Die Tage vergehen mit Sight-Seeing in Tunis Altstadt und einem Besuch im
Bardo-Museum. Die Stadt ist wahnsinnig laut und wuselig. Für jemanden der
eigentlich in die Wüste will, ist das höllisch!
Am 18.3. fahren wir zum Flughafen und begrüßen den Rest der Gruppe; Bernd hat da
etwas verkehrt gemacht, 16 Leute sind einfach zuviel und ich kriege Streß, wenn
ich nur daran denke! Abends "Wasser fassen", mehr als 30 10-Liter-Kanister. Das
kleine Restaurant am Strand erlaubt es uns, und mit ein paar provisorischen
Schlauchanschlüssen klappt es ganz gut. Nun hab' ich ganz lange Arme.-
Dann wird noch der kleine Rucksack gepackt, nur für die Übernachtungen, mit
Waschzeug und so. Das ist sehr praktisch, denn mehr braucht man nicht und muß so
nicht mit dem schweren Gepäck rumhantieren.
Der nächste Tag. Abreise.
Die Strecke durch Tunesien nimmt kein Ende. Palmen-Plantagen begleiten uns bis
ans Ende der Welt! Es ist ermüdend. Wir wollen raus aus dem Land, denn der
Küstenstreifen ist dicht bevölkert und sieht entsprechend aus. Wir schaffen es
nicht bis zur Grenze und ziehen es vor, abseits der Zivilisation zu campieren.
Die letzte Polizei-Kontrolle ist uns sehr behilflich und eskortiert uns eine
gute halbe Stunde hoch ins Bergland in einen verlassenen Ort, wo wir sicher
sind. Es ist stockfinster und im Schein unserer Taschenlampen sieht alles etwas
unheimlich aus. Wir bauen blitzschnell die Zelte auf und fallen in einen
Tiefschlaf.
Die Nächte in Küstennähe sind sehr feucht - alles ist klamm, innen und außen.
Aber wir werden entschädigt mit heißem Kaffee und einer Umgebung, die uns in
ihren Bann schlägt. Wir campieren mitten in einem Xsar, einer alten Speicher-
und Wohnstadt. Es sind schmale hohe, nach hinten ein paar Meter tiefe
Lehmbauten, oben oval, mit einem rechteckigen Eingang in der Mitte. Diese
"Ovale" stehen so aneinander, daß sie eine Art Reihenhäuser bilden, etwa 500
Meter lang, zu beiden Seiten des Sandweges, und somit wieder ein langgezogenes
Oval bilden. Am Ein- und Ausgang nur ein schmaler Durchgang. Die Morgensonne
zaubert ein wunderbar warmes gelbes Licht auf diesen Ort. - Faszinierend!
2 Kilometer weiter schart eine moderne Moschee ein lebendiges Dorf um sich
herum.
Das Geldwesen in Gadhafi-Land ist ein Merkwürdiges und das geht so: Etwa 50
Kilometer vor dem Grenzübergang Ras Ajdir winken uns Geldwechsler mit dicken
Bündeln Libyscher Dinare entgegen. Man muß in Libyen offiziell tauschen und
bekommt für 100 DM z.Z. 21 LD (ein Essen kostet ca. 13 LD). Da kommt man nicht
weit mit. Also tauscht man vor dem Grenzübergang offiziell/inoffiziell am
Straßenrand bei Geldhändlern z.B. 100 DM für z.Z. 150 LD! Eine Devisenkontrolle
an der Grenze und unterwegs während der ganzen Reise fand nicht statt.-
Dann folgt die Einreise nach Libyen. Es ist später Vormittag. Wir haben eine
lange Autoschlange vor uns. Es dauert Stunden. Bernd muß u.a. Libysche
Nummernschilder für die Autos kaufen, die er später bei der Ausreise wieder
tauschen muß. Um sicher zu gehen, daß wir keinen Ärger bekommen, tauschen wir
hier jeder offiziell gegen Quittung 100 DM.
Endlich können wir aufatmen und nach zig freundlichen Paßkontrollen und
Registrierungen können wir unser "Abenteuer Libyen" beginnen.
Noch ein Stück Küstenstraße und dann in Zuara Richtung Süden. Die Landschaft
ähnelt unserer Heide, kaum Bäume, aber Getreideanbau in den Senken (weil sich
dort die Feuchtigkeit am längsten hält), an den Hängen blühendes
Wiesenschaumkraut, in den aufgestauten kleinen Teichen stehen Störche rum. Eine
sanfte und friedliche Landschaft.
Die dritte Übernachtung im freien haben wir hinter uns. Die vergangene Nacht war
warm, davor eisig auf deckungsloser Hochfläche. Bitterkalter Wind fiel von den
Bergen herunter. Ich fror wie ein Schneider und träumte von dicken Federbetten!!
Nach langer Steppenfahrt auf Asphalt ist die erste Sandwüstenregion erreicht.
Und mitten drin ein See!
Gestern kamen wir in Nalut an, wo es ebenfalls eine alte Speicherstadt gibt. Ein
Hauch aus 1001 Nacht weht durch die schmalen Gassen. Der Ort scheint erst
gestern verlassen worden zu sein, eine völlig andere Welt. Eine so ganz andere
Architektur. Ich bin begeistert. Teils vierstöckige "Ghorfas" (Wohnungen)
wabenartig übereinander, in den Vorratsräumen eingemauerte Tonkrüge und
Amphoren, kleine Türen lassen sich noch schließen. Und ein Blick über das weite
Land - ein wunderbarer Ort.
Wir haben zwar viel Zeit für diese Reise mitgebracht, aber das Land ist ein
weites Land und wir müssen zwischendurch immer wieder "Strecke machen", d.h.,
stundenlange Fahrten durch Ebenen, Sand- und Steinwüsten, Plateaus rauf und
runter. Auch das hat etwas Beruhigendes an sich. Ein Ausruhen für Geist und
Seele, man kann die Augen schließen, nach einer Stunde wieder aufmachen und hat
das Gefühl, immer noch an der selben Stelle zu sein. Ich fühle eine angenehme
Leichtigkeit in mir, die ich festhalten möchte. Es gibt nichts außer mir und
dieser unendlichen Weite.
Manchmal schneiden Überlandleitungen die Ebenen in zwei Teile.
Diese Landstriche sind dennoch interessant: wir finden Versteinerungen,
Schnecken, Muscheln, es gibt kleine blühende Pflanzen, die fest im Gestein
verwachsen sind, um dem ewigen Wind standzuhalten. Sie sind eine Augenweide in
dieser Monotonie. Eidechsen und Käfer leben voneinander. Und über allem spannt
sich ein unendlich blauer Himmel.
Übernachtung in Ghadames. Der Campingplatz hat auch eine Jugendherberge und so
haben wir im Zimmer geschlafen. Die Sanitären Einrichtungen sind zwar da,
Duschen und Klos, funktionieren aber nur zum Teil, das ist in diesen Ländern nun
mal so. Wasser wird ab und zu abgestellt, manchmal unpassend, wenn man gerade
unter der Dusche steht oder auf'm Klo ist.... Egal, seit unserer Abreise aus dem
Hotel die erste Dusche! Badelatschen überall ein absolutes MUß!
Wir haben gestern unsere Uhren der Zeitverschiebung angepaßt und eine Stunde
vorgestellt, es ist jetzt 19:00 und es dämmert. Der Mond wird sichelartiger und
die Nächte ein wenig wärmer.
Ghadames hat eine phantastische, von Mauern umgebene Altstadt; sie wurde zum
Welt-Kulturerbe erklärt und unter den Schutz der UNESCO gestellt. Ein Führer ist
notwendig (es ist der Großvater des Touristenamtchefs und hier müssen wir uns
auch noch einmal "polizeilich" melden). Kaum zu glauben, aber alleine hätten wir
uns in den Gängen und Gassen und Plätzen total verlaufen. Die Alten kommen am
Nachmittag immer noch zu ihren Versammlungsplätzen und für einen Augenblick
scheint die alte Zeit zurückzukehren.-
Und wir fahren und fahren. Es ist ein weiter Weg bis zur großen "Sandkiste", den
unendlichen Dünen im Süden des Landes. Mein Nacken schmerzt immer mehr,
Kopfschmerzen, Müdigkeit - bei Dämmerung suchen wir einen Schlafplatz. Der Wind
weht kalt. Ole kocht Gemüse mit Reis, später gibt's Lagerfeuer mit Weinbrand,
aber ich baue mein Nachtlager auf, das heißt Isomatte und Schlafsack und schlafe
sofort unter unendlich vielen Sternen ein.
Es ist der 24. März - ich bin nun schon eine ganze Weile unterwegs,
man gewöhnt sich sehr schnell an dieses Leben, das sich auf das Wesentliche
beschränkt. Es gibt keinen Ballast! Ich rolle meine Sachen zusammen - gewaschen
wird mit Hakle-Feucht, ein wenig Wasser zum Zähneputzen. Man schwitzt trocken
und darum riecht auch niemand unangenehm. Frühstück: heiße Suppe aus der Tüte,
aufgewärmtes Gemüse von gestern, Kaffee und schwarzer Tee mit einem Drittel
Pfefferminze, was die Verdauung ausgezeichnet reguliert. Keine Verstopfung -
weder physisch noch psychisch! Hier sei auch Rudolph erwähnt, unser Spaten. Wenn
der nicht am Auto ist, ist jemand damit unterwegs und hat etwas Großes vor. Das
anfallende Übel wird begraben, das "Klo"-Papier an Ort und Stelle verbrannt,
damit es nicht beim nächsten Sandsturm in der Wüste herumfliegt.
Dann geht's wieder auf Piste. Asphalt ist nicht mehr und wir fahren mit 25 km/h
max. off-road. Das senkt zwar den Std/km-Durchschnitt, steigert aber den
Erlebniswert! Die Maggi hat auf dem Dach eine gute Sitzgelegenheit, und so
reisen wir oben sitzend durch das Land. Wie im Kabrio, spüren die Wärme und den
Wind und haben eine wundervolle Weitsicht von hier oben.
Kamelherden, hunderte von Tieren - und drei Hirten, vom Stamme der Tubus, die
"Hüter des Windes". Das zäheste Wüstenvolk der Sahara.
Wir teilen ein paar Liter Wasser mit ihnen und es entwickelt sich ein lebendiges
Gespräch - und wir dürfen eine Foto-Session einleiten. Einer von ihnen erzählt,
daß er schon Bekanntschaft mit einer Polaroid gemacht hat, nimmt Ole die Kamera
aus der Hand und macht von uns ein Foto!
Meine Nackenschmerzen nehmen zu - und dann erinnere ich mich an eine Stelle in
einem Reisebericht durch die Sahara, daß jemand kurz vor dem Verdursten war und
die gleichen Symptome hatte. Das war des Rätsels Lösung, ich hatte bislang
einfach zu wenig getrunken, kein Durstgefühl. Aber man braucht mindestens 4
Liter am Tag. Das kann sich bis zu 12 Litern steigern!
Also hab ich mir innerhalb von drei Stunden über zwei Liter Wasser reingequält -
und bin fast wieder o.k. Nun erinnern wir uns gegenseitig ans Trinken und
schaffen zwischen 4 bis 6 Litern.
Es ist kurz vor 19:00 Uhr, ich sitze hoch oben auf einer Düne in der Abendsonne.
Es ist angenehm warm - das vermisse ich Zuhause so sehr.
Die Nacht war nicht kalt, der Wind kam morgens gegen 4:00 Uhr, aber nicht so
schlimm. Ich hab meinen Schlafsack weiter zugezogen und nur die Zähne knirschen
ein wenig. Sorgen mache ich mir um meine Fotoausrüstung, aber die Tasche hält
dicht und meine Kameras überstehen die ganze Reise.
Wir brechen fröhlich auf, der Wind nimmt zu, wir kommen aus dem Dünengebiet
heraus auf Schotterebenen. Oben auf der Maggi ist es nicht mehr gemütlich, der
Wind steigert sich zum Staubsturm. Eine neue Erfahrung. 11 Beaufort fetzen über
das Plateau und treiben Sand vor sich her und wirbeln den Staub hoch in den
Himmel, verdecken die Sonne. Es ist fantastisch! Wir haben Mühe, abends einen
Lagerplatz zu finden. Die Sicht ist wie durch eine Milchglasscheibe. Unser
Abendessen wird nicht mehr gekaut, wir schlucken nur noch, da wir alles im
Freien zubereiten und total versandet ist. Ich baue mein Zelt auf und grabe es
ein, die Heringe alleine halten es nicht. Im laufe der Nacht läßt der Sturm
nach, es weht nur noch ein starker Wind.
Am Morgen des neuen Tages ist der Himmel klar, die Sonne scheint, aber kalt ist
es. Reinhold kommt vom Pinkeln zurück und sagt: "ich hab' einen Eisbären
gesehen!"
Der Wind gibt keine Ruhe und nimmt wieder zu, manchmal kommt die Sonne zum
Vorschein, dann peitscht wieder Sand über die weiten Ebenen. Eine wunderschöne
Landschaft, gerahmt von hohen Milchkaffee-Dünen, in denen wir heute dreimal
stecken bleiben. Mit Tüchern vor dem Gesicht - der Sand tut weh auf der Haut -
schaufeln wir wie die Weltmeister.
Abends erreichen wir eine Oase mit hunderten von Palmen. Die ehemaligen Gärten
haben uns schon eine geraume Weile begleitet. Es ist alles versandet, ein paar
Ruinen. Zu "Lebzeiten" muß das ein Paradies in dieser Wüste gewesen sein. Wir
graben 40 cm tief - und schon ist der Sand feucht. Schwalben umsegeln unsere
Wagen bis ins Lager und bleiben unsere Gäste. Sie trauen sich sogar in die Maggi
und suchen sich als Schlafplatz unsere Bordbibliothek aus.
Und wieder brauchen wir unsere Zelte gegen den Sand, obwohl der Wind sich etwas
gelegt hat und unser Platz ziemlich geschützt ist. Elf kleine Schwalben schlafen
nun im Radkasten vom Nissan.
Wir haben seit vier Tagen kein fließend Wasser gehabt. Meine Haare stehen wie
Überlandmasten vom Kopf. Da ist der Afrika-Ulli besser dran, er hat sich vor der
Abreise den Kopf fast kahl geschoren! Jedenfalls kleben wir nicht, wir sehen nur
alle aus wie volle Staubsauer-Beutel!
In der Wüste wird Wasser zum Wunder! Am 27.3. kommen wir zu einem Brunnen, mit
viel Wasser; gutes, klares Wasser, es reicht für alle zum Waschen! Ulli versucht
sich mit einer Nass-Rasur in Form zu bringen, gelingt so einigermaßen,
jedenfalls erkennen wir uns alle kaum wieder. Wir füllen die Kanister wieder
auf, die Schwalben sind immer noch da. Mittag ist vorbei, so langsam packen wir
unsere Sachen zusammen.
Der Wind ist kühl, aber nicht unangenehm. Ludwigs Thermometer
zeigte in der vergangenen Nacht +5°C, ein paar von uns haben sich erkältet, die
ersten Nächte waren unerwartet kalt bis naßkalt. Auch in der nächsten Nacht sind
wieder viele kleine Eisbären unterwegs! Es ist schrecklich kalt und sternenklar.
Weiter geht es nach Süden, durch die Dünen Richtung Ubari. Gestern haben wir
grad 51 Kilometer geschafft. Es ist eine traumhaft schöne Landschaft, wie sie
kaum in der Sahara zusammentrifft. Palmen und Tamarisken, 100 bis 200 Meter hohe
Sanddünen bis ans Plateau, die ganz anders strukturiert sind als die Namib oder
Rub al Khali im Oman; dazwischen trockene Seen, Ebenen aus Schotter und gelbem
Sand.
Die Maggi streikt. Wieder die Batterien. Alle sind ein wenig nervös, Bernd liegt
im Innenleben des Wagens und versucht den Fehler zu finden.
Zum Glück ist der Wind eingeschlafen. Der Sand sitzt überall, in der Fototasche,
im Schlafsack, im Gepäck.
Ole hat das Kochen von Anfang an übernommen und zaubert aus allem Möglichen
immer so etwas wie "Paella" zusammen, mal in suppenform, mal feste Konsistenz,
mal getrennt von einander. Schmecken tut es jedenfalls ausgezeichnet.
Der Einstieg in die Dünen ist wahnsinnig, unglaublich hoch, unglaublich heller
Sand - einfach umwerfend, und nun sitzen wir ständig fest im Sand, der Patrol
mehr, die Maggi weniger.
Wir laufen oft voraus, um die Wagen zu erleichtern. Die Sonne brennt
unbarmherzig auf uns herab. Wüste pur und wir auf Socken und mit Wasserflasche!
Mit Schuhen an ist es äußerst unbequem, weil man bis über die Knöchel im weichen
Sand versinkt, barfuß schneidet man sich mit der Zeit die Fußsohlen auf und der
heiße Sand verbrennt die Haut - mit Socken an den Füßen erspart man sich beides.
Wir haben eine Höhe von ca. 400 Meter über NN in diesen Dünen erreicht und sind
etwa 12-14 Kilometer Luftlinie westl. an Idri vorbei. Das Gestänge der Maggi
knackt an allen Ecken, die Materialbelastung ist hart und geht an die Grenzen
des Möglichen.
Zuviel Zeit vergeht. Es wird Abend und Bernd beschließt: Lager aufbauen und
morgen Ausstieg aus diesem Gebiet. Dann auf Asphalt, um Strecke zu machen. Sonst
schaffen wir die anderen gesteckten Ziele nicht. Für den Ausstieg - es sind etwa
11 Kilometer zurückzulegen, brauchen wir Stunden. Aber die Autos überstehen die
Tortour unbeschadet.
Zurück auf Asphalt, dann ca. 20 Kilometer am Rande eines trockenen Salzsees
entlang. So etwas wie eine Piste ist zwar vorhanden, aber die Maggi versinkt,
kippt nach rechts bis zur Achse. Nervöses Schaufeln, Sandbleche. Nach gut einer
halben Stunde ist sie wieder frei. Durch Idri müssen wir nun doch fahren,
umgehen die Innenstadt und schleichen uns durch die Außenbezirke, um den
Kontrollen zu entgehen. Der Ort kündigt sich durch angelegte Gärten und Bergen
von Müll an.-
Das mit dem Müll ist überhaupt so eine Sache, er wird grundsätzlich an den
Straßenrand gekippt, eine Müllabfuhr gibt es nicht. Eine einzige Katastrophe im
ganzen Land. Aber die Menschen waren seit urewigen Zeiten Nomaden - ohne Müll!
Auf dem Wege nach Brak erleben wir die trostloseste Landschaft, die ich je
gesehen habe. Schwarzgrauer Schotter von Horizont zu Horizont, in
Schichtstufenformation. Einfach tot.
Die Straße endet einfach irgendwo und wird neu gebaut. Auf sandiger Piste geht's
durch unbedeutende Orte, graue kleine Schachtelhäuser, die winzigen Fenster
dunkle Höhlungen.
Vorbei an angelegten grünen Gärten, die mit fossilem Wasser gespeist werden,
Palmen, gepflegte und verwilderte, die aussehen wie unbrauchbar gewordene
Tuschpinsel. Der Müll an der Straße kündigt wieder den nächsten Ort an.
Asphaltstraße, viele Kilometer. Vor Brak wird die Straße vierspurig,
Plattenbauten neben den ortsüblichen kleinen Schachtelhäusern. Das war Brak.
Dann wieder Paßkontrolle. Diese Speedbraker bestehen nur aus ein paar leeren
Ölfässern und zwei Polizisten, die irgendwo unter einem Dach aus Palmenblättern
oder in einem winzigen gemauerten Häuschen oder einer kleinen Grashütte den Tag
verbringen. - Es dauert. Man schreibt unsere Namen aus dem Paß ab in eine Liste,
wie schon x-mal auf dieser Reise (die Übersetzung unseres Passes ins arabische
hatte also seinen Sinn).
Aber wir werden immer freundlich und höflich behandelt, oft ergibt sich sogar
eine ausgelassene Unterhaltung mit Teezeremonie. Wir haben praktischerweise drei
Leute dabei, die arabisch sprechen. Es folgen noch zwei Kontrollen im Laufe des
Abends.
Ankunft in Sebha. Unangenehm. Bedingt durch viele illegale Einwanderer, einen
Flughafen und Raketenstellungen gibt es hier sehr strenge Kontrollen, denen wir
nicht ausgeliefert sein wollen. Alle Fotoapparate verstauen und ohne anzuhalten
durchfahren wir die lebhafte Stadt und erreichen wieder die Straße nach Ubari.
Schade, ich hätte gerne eine kleine Weile hier verbracht.
Die Sonne steht tief, Projektgärten links und rechts der Straße den ganzen Tag,
viel Getreide, Grünzeug wie Wurzeln, Zwiebeln, Tomaten und Kartoffeln werden
angebaut. Und Gadhafi hat Wasser. Er läßt alle Projekte mit Sprenger-Anlagen
bewässern, Tag und Nacht, auch in der Mittagshitze. So steht das Gemüse frisch
und Grün in der Wüste. Aber es ist Wasser aus den tiefsten Tiefen!
In Germa kaufen wir noch vor Sonnenuntergang einen Vorrat an Gemüse bei einem
Straßenhändler. Die Versorgung funktioniert in diesem Land ausgezeichnet. Nur
Obst - und Klopapier - bekommen wir nicht. Ansonsten kann man in den kleinen
Geschäften alles kaufen und fast rund um die Uhr. Keine große Auswahl, aber
Nahrungsmittel, Haushaltsgegenstände, Spielzeug, Auto-Repaturwerkstätten,
Schmieden, Bekleidung alles da. Sogar Bier gibt es in Dosen, natürlich
alkoholfrei, aber gut gekühlt!
Es ist lange dunkel, wir fahren immer noch. Schwarze Berge. Die
Schichtstufenlandschaft rechts und links der Straße macht wieder Sanddünen
Platz. Endlich finden wir gegen 22:00 Uhr den schmalen, nur ein paar Meter
breiten Einstieg zwischen den Gärten in die Dünen und lagern weit genug vom
nächsten Dorf entfernt. Bis hierher haben wir unseren Weg gefunden und der Weg
ist ja das Ziel! Also sind wir angekommen.-
Montag, 30. März. Im Morgengrauen sehen wir, wo wir unser Lager aufgeschlagen
haben: richtig schön im gelben Dünensand! Vielleicht so 60 Meter hoch.
Nach der morgendlichen Besprechung des Tagesziels und dem Verbrennen unseres
entstandenen Mülls (den Restmüll nehmen wir mit, bis wir eine gerechte
Entsorgungsmöglichkeit finden) starten wir zu den Mandara-Seen. Es wird eine
schwierige Strecke, weil keine Karte einen Pistenverlauf zeigt. Also GPS und
dann geradeaus. Viel weicher Sand durch nichtmarkierte Dünenstrecke, teils oben
auf der Maggi, teils zu Fuß vorneweg, vereint mit der Sahara!
Gegen Mittag erreichen wir nach ca. 15 Kilometern die zwei Seen und schlagen
hier unser Lager auf. "Um el Ma" - Mutter allen Wassers! Phantastische Bilder
erwarten uns und die Mühsal ist allemal belohnt. Backofenhitze - nach kurzer
Zeit suchen wir Schatten hinter der Maggi. Der erste "kurze Hosen" Tag. Hier
sind wir unter uns. Es gibt noch zwei weitere Camper aus Europa am See und man
tauscht ein paar Erfahrungen und Erlebnisse aus. Der Wind ist kaum zu spüren.
Unser Blick geht hinunter auf den See, grünes Wasser, Palmen und Schilf am Ufer
und dahinter steigen direkt aus dem Wasser steil die hohen gelben Dünen auf. Es
ist eindrucksvoll und fast unglaublich.
Heut gibt es Eier in Senfsoße und Kartoffeln. Susanna schrubbt die Kartoffeln,
Bernd und Eva sind auf Fotosafari, Ulli und Reinhold oben in den Dünen,
Anneliese hat sich in ein kleines Palmengärtchen zurückgezogen und Ludwig bräunt
so vor sich hin in der Abendsonne. Ein wundervoller Tag geht langsam zu Ende.
Wenn die Sonne hinter den Sandbergen versinkt lodert unser kleines Feuer auf,
der Sun-downer geht um. Stille - und unsere Unterhaltung wird nur noch
geflüstert.
In diese Ruhe hinein Motorenlärm! Irgendeine Reisegruppe mit 4 Geländewagen und
lautem Gejohle kommt angerast und schaukelt sich so langsam in die Dünen. Im
Dunkeln sieht man ihr Lagerfeuer auf halber Höhe.
Bei Germa haben wir das Dünengebiet verlassen und sind wieder auf Asphalt. Ein
heißer Wüstenwind bläst aus Südwest. Die Sicht ist schlecht, die Landschaft
eintönig. Sebkhen - ausgetrocknete Salzseen - zur Linken und Rechten, am
Horizont Stufen-Plateaus. Die Vegetation hat aufgehört, es ist heiß und stickig
im Wagen. Wir können nur abseits der Straßen oben auf der Maggi sitzen.
Die Tour zurück von den Mandara-Seen war schwierig, wir haben vier Stunden
gebraucht für die wenigen 12 Kilometer. Die Maggi hat ziemlich gestöhnt - und
wir auch, weil wir oft vom Wagen runter mußten und ihr auf Socken gefolgt sind,
bis das Terrain wieder fester wurde. Mit den gewachsenen Dünen zu fahren ist
nicht so schwer für die Autos, aber gegenan, also die steilen Kanten anzufahren,
verlangt größte Anstrengungen.
Und nun sind wir auf dem Weg über Ubari nach Ghat, wo wir endlich mal wieder
duschen können! Von hier aus kann ich mit zu Hause telefonieren. Es gibt ein
Postamt, einen Raum mit zerbrochenen Scheiben, einer riesig hohen Theke,
vergittert, dahinter zwei junge gepflegte Frauen in bunter Kleidung und ein
grünes Telefon. Das paßt überhaupt nicht zusammen und erinnert mich an die
grellen Farbkombinationen von Emil Nolde! Nach 15 Min. habe ich mein Gespräch.
Wir kaufen Gemüse ein. Tomaten will uns der Mann nicht geben, weil wir zuviel
einkaufen und dann würde für die Versorgung des Ortes nicht mehr ausreichend
übrigbleiben. Wie klug! Das Brot ist noch warm, die Kinder fragen nach
Kugelschreibern. Das fällt uns überall auf, muß ein heißbegehrter Artikel sein.
Wir sind aber auf der ganzen Reise durch Libyen in keinster Weise angebettelt
worden, was sehr angenehm war.
Ein langer Weg, starker Gegenwind bremst die Maggi und sie schafft kaum mehr als
65 km/h. Die Sicht wird so schlecht, daß das Auge keinen Halt mehr findet. Ubari
erreichen wir heute nicht mehr, Awaynat hat auch einen Campingplatz mit Duschen
und so. - Das kleine Restaurant bietet Salat, Reis mit Huhn und non-alcoholic
Bier.
Der erste Tag im April, 2800 Kilometer südlich von Tunis - wir wollen ins
Akakus-Gebirge. Da das Terrain wegen der Felszeichnungen zu einem
Naturschutzpark erklärt ist, und auch einen angeblich geheimen Übergang nach
Algerien hat, müssen wir in Ghat einen Führer mieten und eine Reisegenehmigung
einholen. Das dauert ein bißchen. Aber die Lichtmaschine der Maggi ist sowieso
nicht ganz in Ordnung, so gibt's noch ein kleines Mittagessen. Dann taucht unser
Führer auf. Wir klettern wieder oben auf die Maggi und gegen 13:30 fahren wir
ab.
Nach endlos flacher Schotterwüste tauchen die ersten Felsen wie kleine Dome am
Horizont auf. Je näher wir kommen, um so deutlicher werden die Umrisse:
Erodiertes Sandgestein, schwarz verwittert. Wir fahren durch eine versteinerte
Märchen- und Fabelwelt, die erschrocken und erstarrt ist. In den Sonnenuntergang
hinein. Da stehen Trolle und Zwerge herum, Burgen und Schlösser schauen von oben
herab und dazwischen rötlich-gelber Sand, scharf abgegrenzt, fein und sauber.
Zauberhaftes Licht!
Wir finden einen Lagerplatz zwischen all den steinernen Gestalten, unser Ahmed
kocht sich sein eigenes Süppchen und bei uns gibt es Spaghetti mit Gemüsesoße.
Wir schlafen endlich wieder ohne Zelt, kaum Wind und schön warm ist es hier. Der
zunehmende Mond liegt auf dem Rücken und die Milchstraße zeigt sich mit
Millionen von Sternen. Und mitten in diese Idylle hinein fegt eine Windhose
durchs Lager, wirbelt unsere Sachen durch die Luft und bringt Sand und Staub mit
sich. Diese Böen fallen immer öfter von den Felsen herab und ich muß mein Zelt
wohl doch schützend um mich stellen.
Die Sonne ist eine halbe Stunde nach Aufgang schon wieder kräftig und wärmt die
Glieder. Die Maggi hat immer noch Probleme mit der Elektrik, Bernd braucht noch
eine Stunde zum Durchmessen und so trekken wir ein paar Kilometer voraus. Zwei
Stunden später setzen wir unsere Fahrt fort. Sandpiste zwischen den Felsen und
dann am Rand des Akakus durch Schotterebenen weiter, Stunde um Stunde. Ich habe
Oliver Shanti's Musik im Ohr, schaue mir von oben die Welt an und bin einfach
ich. Losgelöst, frei, nichts kümmert mich. Ich schließe die Augen, spüre die
unendliche Weite mit allen Sinnen und nehme sie so mit nach Hause, wenn die
Reise zu ende ist.-
Die Sand- und Kiesebene, die wir seit geraumer Zeit durchfahren, sieht von hier
oben aus wie die Nordsee bei Ebbe, mit lauter kleinen leeren Prielen. Und in
jeden Priel donnert die Maggi hinein und wir fliegen ein bißchen hoch und
knallen wieder auf die Bretter. Nach Stunden wird das zur Höllenfahrt. Zum
Schluß hab' ich Bernd die weiße Flagge gezeigt - aber er fährt unerbittlich bis
zum Sonnenuntergang. Der Fahrtwind verschlägt uns den Atem und wirbelt Sand und
Staub auf, der sich voll über uns ergießt. Wir haben alle die gleiche Farbe
bekommen - Sahara beige!
Endlich der Abstieg vom Auto und Lager. Ahmed ist an diesem Abend die Attraktion
- er backt sein Brot überm offenen Feuer, und Foto-Session ist erlaubt.
Nun hat mich die Erkältungswelle auch erwischt und ich verschwinde noch vor dem
Abendessen in meinem Schlafsack.
Der Morgen ist kühl und die Sonne kommt langsam hoch, es geht ein leichter Wind.
Den Tag werde ich wegen meiner Erkältung im Auto verbringen. Eingepfercht mit zu
vielen Leuten auf dieser Reise. Die Tagesrucksäcke und Fototaschen auf den Knien
oder zwischen den Füßen, weil kein Platz dafür ist. Alle paar Stunden werden wir
"rausgelassen". Eine Tortour für meine Psyche. Diese Reise ist ein bißchen zu
individuell! Zum Glück kann ich die meiste Zeit oben auf der Maggi verbringen.
Wir sind lange auf grober Schotterpiste unterwegs und haben in fünf Stunden
gerade 100 Kilometer zurückgelegt. Endlose Ebenen mit ab und zu etwas Grünem
dazwischen, und da sind dann auch gleich wieder Kamele anzutreffen. An einer
Stelle liegen so viele kleine getrocknete "Kürbisse" herum, daß wir eine
richtige Schlacht damit veranstalten. Ich schlafe die meiste Zeit und erhole
mich so ganz gut. Am frühen Nachmittag erreichen wir das Wadi Mathendous,
bekannt durch viele Felszeichnungen. Ein grünes Wadi mit Ziegenherden und
Kamelspuren. Man kann nicht mit dem Wagen hinunterfahren und es gibt nur wenige
Einstiege zu Fuß. Ich schenke mir das und fahre mit dem Wagen mit zu der Stelle,
wo wir unsere Leute wiedertreffen.
Es gibt Bohneneintopf von gestern - und viele Fliegen. Hunderte umschwärmen uns,
manche ersaufen im Pfefferminztee oder Pfirsichsaft.
Wir werden hier auf dem sehr steinigen Plateau oberhalb des Wadis übernachten.
Samstag, 4.4. Ein sonniger Morgen, die Maggi hatte gestern ein Leck in der
Benzinleitung, Bernd hat es repariert und nun müssen die Batterien aufgeladen
werden, weil der Fehler in der Elektrik noch immer nicht gefunden ist. Man sucht
nach einer defekten Steckverbindung.
Dann bringen wir unseren Ahmed zurück nach Germa. Bis dorthin wieder viel
Nichts. Steinpiste, Schotterpiste, Sandpiste, schlechter Asphalt, besserer
Asphalt. Zwischendurch ist ein Wasser-Kanister im Wagen leckgeschlagen, meine
Fototasche ist total durchnäßt und ich bin ziemlich sauer. Ahmed verabschieden
wir an einer Tankstelle mit einem Trinkgeld wie alte Freunde. Eigentlich hätten
wir ihn nicht gebraucht, aber so hat er eben auch einen Job. Vom Akakus haben
wir zu wenig gesehen. Der Weg dorthin und zurück ist sehr weit, das Gebirge
absolut erlebenswert, und wir hatten kaum ein paar Stunden Zeit dort. Schade.
Die Begeisterung erfährt ein ständiges Auf und Ab.
Unser nächstes Ziel soll der Krater Wau an Namus sein, in südöstlicher Richtung.
30 Kilometer nach Germa wieder Paßkontrolle. Die Sonne ist seit Mittag im Dunst
verschwunden und im Wagen herrschen schlappe 40°C. Das alles schlaucht gewaltig.
Es ist jetzt fast 19:00 und da es bis zum Krater sehr weit ist und unser Urlaub
irgendwann leider ein Ende hat, werden wir wieder bis weit in die Nacht hinein
fahren. Im Augenblick könnte ich lieber heimwärts - und zwar passend auf einem
fliegenden Teppich! Die Strecken zu den Highlights sind einfach zu weitläufig.
Dieses Land wird niemals ein Touristenland und bleibt den Individualisten
vorbehalten.
Meine Erkältung hält sich in Grenzen, aber ein wenig geschafft bin ich schon.
Und mich nerven die vielen Leute und diese Enge im Wagen. Ich denke, ich muß
mich mal wieder mit Musik zumachen und ausklinken.
Das Abendessen hab ich gestern wieder ausfallen lassen, nach 22:00 Uhr ist mir
das einfach zu spät, dann hab ich keine Lust mehr drauf. Wir sind wieder
gefahren ohne Ende, dann ein paar Kilometer Abseits in die Gegend. Nach 8
Kilometern wird man durch die Erdkrümmung von der Straße aus nicht mehr gesehen.
Zelt aufbauen, waschen und Heia. Und dann ging ein kurzer aber heftiger Sturm
los und fegte den Sand über die Ebene. In meinem Zelt fühle ich mich an diesem
Abend unendlich geborgen und die Nacht ist erholsam und der Morgen angenehm.
Die Zeit läuft uns davon. Wenn wir zum Krater wollen, bleibt uns keine Minute
zum Verweilen, nur fahren, fahren. Zuviel Öde für das Erlebnis "Wau an Namus".
Wir haben nur noch reine 5 Tage in Libyen. Das kann es also nicht sein. Und so
beschließen wir (nach 3400 km) gemeinsam eine andere Route und fahren mehr oder
weniger gemächlich Murzuq an und haben genügend Zeit für das Fort und den
Frauenmarkt. "Frauenmarkt" deshalb, weil hier Frauen ihre Waren anbieten (das
ist in arabischen Ländern unüblich), Schmuck, Duftöle, Bekleidung, Gewürze,
Gemüse und vieles mehr.
Es ist ein eindrucksvolles Erlebnis und ich versuche ganz heimlich und aus der
Hüfte ein paar Fotos zu schießen. Dann mische ich mich unter die Frauen, kaufe
ein Perlenarmband, Bonbons und ein "antikes" Stück Seife bekomme ich geschenkt.
Der beeindruckendste Markt, den ich je gesehen habe - einfach imponierend.
Auf der anderen Straßenseite der Viehmarkt, der den Männern vorbehalten ist.
Aber ich traue mich und mir folgen nur ein paar aufmerksame Blicke.
Wir kaufen Gemüse ein, frische Pfefferminze und Brot und machen uns auf den Weg
nach Osten nach Timsa, durch Projektgärten, Palmenplantagen, die kaum noch
genutzt werden. Auf keinem der Märkte wurden Datteln angeboten. Das Getreide
hier wird geerntet, mit Maschinen, man sieht es an den Strohballen. Anschließend
kommen die Ziegen auf diese kleinen Felder - perfekte Düngung.
Am späten Nachmittag verlassen wir die Asphaltstraße in Richtung Dünen, um einen
Lagerplatz ausfindig zu machen. Bernd fährt sich auf der ersten Düne fest. Und
dann fahren wir doch wieder ein Stückchen runter und bauen unsere Zelte auf. Es
ist schwül, warmer Wind und gewittrig. Die Landschaft ist in ein merkwürdig
milchig-gelbes Licht getaucht, und dann fallen ein paar Tropfen Regen. Überzelt
drüber, man weiß ja nie. Sturm kommt auf, Sand fegt uns in Gesicht. Mein
Überzelt fliegt fast davon, also wieder runter damit. Gepudert sehen wir alle
aus - schade, wir konnten nämlich heute Nachmittag an der Tankstelle blitzartig
unsere Haare und Füße waschen!. Ein Genuß war das. Endlich wieder, nach Tagen.
Und nun sehen wir wieder aus wie gestern. In der Nacht läßt der Sturm nach und
als der Sun-downer zum achten Mal die Runde macht, ist es 1:30 Uhr und Zeit für
den Schlafsack.
Eine ganz warme Nacht mit hellem Mondschein. Er geht unter und hebt die Sonne am
anderen Ende hoch.
Die Strecke nach Timsa geht über eine gleißend weiße Kiesebene, die an einem
Ende der Welt anfängt und am anderen erst wieder aufhört!! Mittagspause - Bernd
bastelt an der Bremsleitung. Es ist sehr heiß, Sahara-heiß! Ich setze mich oben
auf den Wagen, hier geht wenigstens noch ein angenehmer Wind. Die Kiesebene ist
wieder durchzogen von vielen kleinen Prielen und das schlägt ganz schön auf die
Bandscheiben. Das Panorama ist dafür unvergleichlich schön.
Heißer Wind bläst uns ins Gesicht und Sand und Staub. Abends bin ich wie
gerädert, als hätte ich die ganze Strecke zu Fuß zurückgelegt. Zum
Sonnenuntergang schlagen wir unser Lager außerhalb von Timsa auf. Ein flacher
Tag war es, so weit - so weit. Mal weißer Schotter, mal schwarz, Kies wechselte
mit aschgrauem und gelbem Staub.
Ich habe Zeit und Raum verlassen.
Für jeden gibt es einen halben Kanister Wasser und das bedeutet Haare und
sonstiges waschen. Die Sonne geht von grellem Licht über in warmes, weiches. So
weich ist auch das Land. Gelber Tonstaub, zentimeterdick und darauf eine dünne
Schicht Kies. Man geht wie auf einem goldgelben Teppich, was den strapazierten
Knochen spürbar gut tut. Der nächste Tag bringt wieder Backofenhitze. Man merkt
schon, daß wir ein paar Wochen weiter sind im Kalender. Es geht jetzt strikt
nach Norden. Die leere Landschaft hat auch ihren Reiz von hier oben vom Dach des
Wagens. Und wir finden wieder interessante Gesteinsformationen und die Rose von
Jericho! Und ein großes Loch im Gelände, was auf keiner Karte verzeichnet ist.
Und auch dieser Tag geht zu Ende, die Nacht kommt und geht - ein neuer Tag. Wir
haben nur noch ein oder zwei Stunden Sand unter den Reifen, dann müssen wir
leider auf Asphalt und das bedeutet rein ins Auto und eigentlich schon Abschied.
Die lange Strecke zur Küste steht uns noch bevor. Nach drei Kontrollen (man
freut sich immer wieder zu hören, daß wir aus Deutschland kommen - Germany good,
very good!) erreichen wir Hun, eine moderne 15.000 Einwohner zählende Stadt.
Ohne anzuhalten. Die weitere Strecke bietet nichts Aufregendes, hügelig aber
karg. Am nördlichen Horizont zeichnen sich Berge ab, die Straße ist neu und gut
zu befahren und führt zur Küste hoch nach Misrafa.
Vier freundliche Kontrollen unterbrechen unsere Fahrt.
Und jetzt - um 22:30 Uhr - sind wir auf dem Campingplatz in Leptis. Die
Küstenregion ist so dicht besiedelt und eingezäunt (militärisches Sperrgebiet),
daß man nicht mehr draußen campieren kann. Der Platz ist laut und mitten in der
Stadt. Unschön.
Wir sind so müde, dass alles ziemlich egal ist.
Ein sonniger Tag. Leptis Magna ist ein riesiges Areal mit Ruinen-
und Ausgrabungsstätten, das beeindruckendste der gesamten antiken Welt und unter
UNESCO Schutz gestellt und begeistert mich völlig. Wir verbringen viele Stunden
hier und wenn man oben auf den Stufen des riesigen Theaters ausruht, hat man
einen wundervollen Blick über diese Stätte bis zum alten Hafen, hinaus aufs
Meer.
Susanna und Anneliese werden hier richtig heftig von Männern belästigt, was uns
doch ziemlich aufregt.
Zurück von dieser Zeitreise auf den Campingplatz, hat man unsere Zelte beiseite
gestellt und der gesamte Platz steht voller Autos. Es ist Feiertag, Aid el
Kebir, großes Hammelfest (ein Opferfest), und da geht man mit der ganzen Familie
nach Leptis Magna!
Wir entschließen uns zur Abreise und zwar ganz schnell.
An der Küstenstraße Richtung Grenze machen die Leute Picknick, kilometerweit,
rechts der Straße zum Wasser hin campieren sie mit Großfamilien in Zelten und
Unterständen, ausgelassen und fröhlich, mitten in Bergen von Müll. Ein
ekelhafter Geruch schwebt über allem.
Zwei Stunden später reisen wir aus Libyen aus. Das geht verhältnismäßig zügig
und reibungslos. Nummernschilder tauschen, Papierkram, Paßkontrollen, ohne
Militär, immer freundlich und höflich.
Eine Reise ohne Ende. Bernd will unbedingt bis Zarzis, dort in eine
Jugendherberge. Nachts um drei findet man keine JH und wenn, dann ist sie zu.
Wir können froh sein, daß uns die Polizei mal wieder hilft und ans Meer geleitet
in einen Palmenhain, wo wir ziemlich unbehelligt übernachten können. Es ist
feucht, 3:30 Uhr, Sprühregen, Sturm. Das Überzelt flattert unaufhörlich, vom
Innenzelt geht wieder einmal der Reißverschluss nicht zu, der Wüstensand sitzt
überall. Ich falle ziemlich defekt und gereizt in einen Tiefschlaf.
Sanitäre Einrichtungen gibt es hier nicht, aber immer wieder Leute, die
vorbeischauen, so dass man nicht einmal kurz hinters Zelt verschwinden kann. Etwa
hundert Meter entfernt von unserem Lagerplatz sind vier Mauerwände hochgezogen,
ohne Dach, ohne Boden. Darin nur Sand bzw. eine dicke Schicht menschlicher
Exkremente und auf diesen Scheißhaufen müssen wir wohl oder übel auch noch
machen!
Auch in Libyen waren so manche sanitären Einrichtungen nur mit allergrößter
Überwindung zu benutzen, mit und ohne Brechreiz! Für uns eigentlich
unvorstellbar, daß so wenig Wert auf die hygienischen Einrichtungen gelegt wird.
Dies ist kein Ausflug mehr, sondern eine gezielte Rückreise und so sehen wir
vieles nur noch aus dem Auto im vorbeifahren. Und das blau/weiße Städtchen
Zarzis sieht bei diesem Schmuddelwetter auch noch nett aus.
Uns bleibt wenigstens soviel Zeit, dass wir uns Kairouan - die Heilige Stadt -
ansehen können. Auf dem Weg dorthin kaufen wir in Gabes ein paar Tomaten, Gurken
und Brot und machen Mittagspause in der Gegend. Im Wagen nicken alle ein, seit
gestern morgen haben wir nicht so sehr viel Schlaf gehabt. In Kebili eine
längere Rast. Ulli geht zum Barbier und lässt sich schön machen für die
Rückreise. Martina und ich betreten den Laden, um Fotos zu machen. Der Barbier
ist anfänglich geschockt, aber dann muss er selber lachen.
Unsere grobe Richtung ist Touzeur, über einen Damm durch einen riesigen Salzsee,
über dem die Sonne gerade untergeht, und dann erreichen wir wieder einen
Campingplatz.
Der letzte Tag. Wir haben knapp zwei Stunden Zeit in Kairouan. Eine wunderschöne
Alststadt mit vielen Fotomotiven. Das bunte Treiben zieht wie ein Film vorbei.
Zeit zum längeren Verweilen bleibt uns nicht. Ich möchte mich einfach irgendwo
hinhocken und dem Leben hier zusehen.- Und dann geht die Sonne wieder unter und
wir sind wieder im Hotel, wo wir vor unendlich langer Zeit abgefahren sind. Und
wir essen wieder beim "Sarotti"-Mohren. Gegrillten Fisch - wie am Anfang dieser
Reise. Und ich packe meinen kleinen Rucksack wieder zusammen ins große Gepäck.
Alles läuft jetzt rückwärts ab.
12.4. - Gegen 9:30 Uhr Abreise, wir bringen den fliegenden Trupp wieder zum
Flughafen und fahren dann in den Hafen. Dort erwartet uns ein einziges Chaos!
Irgendeine Rallye ist zu Ende und diese Franzosen benehmen sich derart
skrupellos, dass die Polizei zu Hilfe geholt werden muss. Sie machen mit ihren
riesigen Fahrzeugen kleine Autos platt, fahren über Rasen und durch
Abgrenzungen, machen aus zwei Autoschlangen vier und stellen zum Schluss fest,
dass sie auf eine andere Fähre müssen!! Wir verbringen über 6 Stunden hier, bis
wir endlich nach fünf oder sechs Kontrollen an Bord der Fähre können.
Da ist nichts mehr mit "Stille in der Wüste" - die Zivilisation hat uns
gnadenlos wieder eingeholt - es tut weh.
Draußen auf See kommt heftige Dünung auf, die Schiffsschraube schraubt in der
Luft herum, wenn das Schiff vorne tief eintaucht und das rumpelt und kracht und
vibriert durch den ganzen Rumpf. Eva und Ulli fallen total aus. Die Nacht ist
hell, die Küstenlichter Siziliens sind zu sehen.
Die Einreise in Marseille ist schon langweilig. Aber es ist schön, am Tage und
bei Sonnenschein durch das Land zu fahren. Es ist grün und vieles blüht. Der
Wein an den Bergen hat voll ausgeschlagen, der Frühling ist wirklich da. Und
wieder eine Hotelübernachtung in Frankreich, kurz aber warm und trocken!
Grenzen gibt es nun nicht mehr, wir wechseln von Frankreich nach Deutschland,
man merkt es kaum. Auf dem Rastplatz Brühl trennen wir uns. Bernd fährt mit Eva
und der Maggi nach Ludwigshafen, Anneliese und Christel werden abgeholt, ich
fahre mit Ulli im Nissan alleine gen Norden.
Keine Rücksicht mehr auf die alte Dame "Maggi", ein paar kurze Pipipausen und um
20:00 Uhr bin ich am 14.4.1998 wieder zu Hause.
5700 Kilometer von/bis Tunis, von Haustür zur Haustür ca. 8000 Kilometer in der
Zeit vom 11.3. bis 14.4.98 - ein paar Kilometer zuviel für den Erlebniswert?
Es war eine interessante Reise in ein fremdes Land, das vorher für mich
überhaupt nicht von Interesse war. Kein tiefes Eintauchen in Gadhafis Politik
und den Islam, denn das ist eine andere Geschichte.
Aber eindrucksvoll war es - ich habe die Wochen in der Weite und Stille der
Wüste voll ausgekostet.
Respekt - vor den Menschen, der Natur mit all ihren Schönheiten.
Es gab Begegnungen - manchmal nur einen kurzen Augenblick - die aber mein Leben
bereichert haben.
Und ich vermisse jetzt schon wieder den warmen Sand in meinen Schuhen ...